In den letzten Jahren hat Europa einen bemerkenswerten Anstieg der Popularität von Rechtsparteien erlebt. Dieser Trend ist in vielen Ländern zu beobachten und wirft die Frage auf, warum rechtsgerichtete politische Kräfte an Boden gewinnen. Hier sind einige der Hauptgründe und Beispiele, die diese Entwicklung erklären:

Wirtschaftliche Unsicherheit und soziale Ungleichheit

Ein wesentlicher Faktor für den Aufstieg der Rechtsparteien ist die anhaltende wirtschaftliche Unsicherheit und die wachsende soziale Ungleichheit in vielen europäischen Ländern. Nach der globalen Finanzkrise von 2008 haben sich viele Menschen von den traditionellen Parteien abgewandt, die sie für ihre wirtschaftlichen Schwierigkeiten verantwortlich machen. Rechtsparteien nutzen diese Unzufriedenheit aus, indem sie einfache Lösungen für komplexe Probleme anbieten und sich als Alternativen zu den etablierten Parteien präsentieren.

Beispiel: In Italien hat die Lega Nord, eine rechtspopulistische Partei, unter Matteo Salvini erheblichen Zulauf erhalten. Salvini versprach, die Migration zu stoppen und die Wirtschaft anzukurbeln, was vielen Italienern in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Hoffnung gab.

Migration und kulturelle Identität

Die Migration ist ein zentrales Thema, das von Rechtsparteien stark instrumentalisiert wird. Die Flüchtlingskrise von 2015 hat Ängste und Unsicherheiten in vielen europäischen Gesellschaften geschürt. Rechtsparteien haben diese Ängste genutzt, um Unterstützung zu gewinnen, indem sie eine harte Linie gegen Einwanderung und eine Rückbesinnung auf nationale Identität fordern.

Beispiel: In Deutschland hat die Alternative für Deutschland (AfD) stark von der Debatte über Migration profitiert. Die Partei hat sich gegen die liberale Flüchtlingspolitik der Regierung Merkel positioniert und damit viele Wähler angezogen, die sich von der Zuwanderung bedroht fühlen.

Globalisierung und Verlust von Souveränität

Viele Menschen fühlen sich durch die Globalisierung und die europäische Integration entfremdet. Sie sehen nationale Souveränität und traditionelle Werte durch supranationale Institutionen wie die Europäische Union bedroht. Rechtsparteien versprechen, die Kontrolle zurückzugewinnen und nationale Interessen zu verteidigen.

Beispiel: Der Brexit ist ein Paradebeispiel für diese Entwicklung. Die UK Independence Party (UKIP) und später die Brexit Party unter Nigel Farage haben erfolgreich das Narrativ vorangetrieben, dass Großbritannien seine Souveränität zurückgewinnen muss. Dies führte letztlich zum Referendum und dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU.

Misstrauen gegenüber traditionellen Medien und Eliten

Ein weiteres Schlüsselelement für den Aufstieg der Rechtsparteien ist das wachsende Misstrauen gegenüber den traditionellen Medien und politischen Eliten. Viele Menschen glauben, dass ihre Interessen von den etablierten Medien und Politikern nicht vertreten werden. Rechtsparteien und populistische Bewegungen haben soziale Medien effektiv genutzt, um ihre Botschaften direkt an die Wähler zu bringen und sich als Stimme des „wahren Volkes“ zu präsentieren.

Beispiel: In Frankreich hat Marine Le Pen mit ihrer Partei Rassemblement National (ehemals Front National) diese Strategie genutzt, um sich als Außenseiterin zu positionieren, die gegen das politische Establishment kämpft. Ihre Kampagnen betonen häufig das Versagen der traditionellen Parteien und Medien.

Aktuelles Beispiel: Wahl in Frankreich 2024

Beispiel: In den letzten Präsidentschaftswahlen 2024 in Frankreich hat Marine Le Pen, die Vorsitzende des Rassemblement National, erneut stark abgeschnitten. Sie erreichte im ersten Wahlgang einen beachtlichen Prozentsatz der Stimmen und konnte in den zweiten Wahlgang vordringen. Dies zeigt, dass ihre Politik und Rhetorik bei vielen Franzosen Anklang finden, insbesondere in einer Zeit wirtschaftlicher Herausforderungen und Unsicherheiten hinsichtlich Migration und nationaler Identität. Die Themen, die sie aufgreift – wie nationale Souveränität, strikte Migrationspolitik und die Kritik an der EU – resonieren stark mit einem erheblichen Teil der Wählerschaft, die sich von den traditionellen Parteien nicht mehr repräsentiert fühlt.

Beispiele für den Aufstieg der Rechtsparteien

  1. Ungarn: Viktor Orbáns Fidesz-Partei hat sich durch eine starke anti-migrantische und euroskeptische Rhetorik etabliert. Orbán betont die Bedeutung der nationalen Souveränität und traditionelle christliche Werte.

  2. Polen: Die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) unter Jarosław Kaczyński hat eine ähnliche Position wie Fidesz eingenommen, wobei sie sich gegen EU-Einmischung und für konservative Werte einsetzt.

  3. Schweden: Die Schwedendemokraten haben stark von der Zuwanderungsdebatte profitiert und sind mittlerweile eine der größten Parteien im schwedischen Parlament.

Fazit

Der Aufstieg der Rechtsparteien in Europa ist ein komplexes Phänomen, das auf eine Kombination von wirtschaftlichen, sozialen und politischen Faktoren zurückzuführen ist. Wirtschaftliche Unsicherheit, Ängste vor Migration, der Wunsch nach nationaler Souveränität und das Misstrauen gegenüber den etablierten Eliten haben diese Parteien gestärkt. Durch das Ansprechen von Ängsten und das Versprechen von einfachen Lösungen haben Rechtsparteien in vielen Ländern erhebliche politische Erfolge erzielt. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Entwicklungen in den kommenden Jahren weiter entfalten werden.

 

Foto „Bildagentur“: Symbolfoto
Autor: Kurt Kellerer