Heute ist der Tag der gesunden Ernährung – und eine perfekte Gelegenheit für zynische Heuchelei

Jedes Jahr wird am heutigen Tag der gesunden Ernährung von Regierungen, Medien und Gesundheitsexperten betont, wie einfach es doch sei, sich gesund zu ernähren. Mehr Gemüse, weniger Zucker, frisch kochen statt Fertiggerichte – so lauten die wohlmeinenden Ratschläge. Dass diese Ratschläge in erster Linie für eine finanzstarke Mittelschicht funktionieren, während Millionen von Menschen schlichtweg nicht die Möglichkeit haben, sich gesund zu ernähren, wird geflissentlich ignoriert. Denn gesunde Ernährung ist nicht nur eine Frage des Willens, sondern vor allem eine Frage des Geldes.


Was bedeutet eigentlich „gesund“? Und wer bestimmt das?

Gesunde Ernährung ist ein elastischer Begriff, den jeder für seine eigenen Zwecke missbraucht. Ist es der hochgelobte Avocado-Toast aus dem Bioladen? Oder das günstige Dosenmais-Gemüse aus dem Discounter? Offiziell gelten frische, unverarbeitete Lebensmittel als gesund, doch die Realität ist komplizierter.

Was als gesund angepriesen wird, hängt stark von wirtschaftlichen Interessen ab. Während Supermärkte und Nahrungsmittelkonzerne immer neue Trends wie „Superfoods“ oder „Clean Eating“ vermarkten, verschwinden traditionelle, günstige Lebensmittel aus der Wahrnehmung. Hülsenfrüchte, Kartoffeln oder einfaches Vollkornbrot werden kaum beworben, weil sie sich schlecht vermarkten lassen. Stattdessen werden exotische Lebensmittel wie Chiasamen oder Matcha als „essentiell“ verkauft – zu Preisen, die für viele unerschwinglich sind. Wer sich diese Ernährung nicht leisten kann, bleibt mit minderwertigen Alternativen zurück.


Die Mär von der günstigen gesunden Ernährung

Es wird gerne behauptet, dass gesunde Ernährung nicht teuer sein muss. Doch wer wirklich einmal eine Woche lang gesund einkaufen möchte, stellt schnell fest: Preiswerte Grundnahrungsmittel mögen existieren, doch eine abwechslungsreiche und nährstoffreiche Ernährung ist teuer. Bio-Gemüse, Vollkornprodukte, Nüsse und Fisch kosten ein Vielfaches von billigen Fertiggerichten.

„Kauft doch saisonal und regional“, heißt es dann. Doch auch das ist nur eine halbe Wahrheit. Wer in einer Großstadt lebt, hat vielleicht einen Wochenmarkt mit günstigen Angeboten, aber auf dem Land gibt es oft nur teure Hofläden oder eben den Discounter. Und dort sind frische Produkte entweder teuer oder von minderer Qualität.


Wer gesund essen will, braucht mehr als nur Geld – er braucht Zeit

Neben dem finanziellen Aspekt gibt es einen weiteren entscheidenden Faktor: Zeit. Wer zwei Jobs hat oder im Schichtdienst arbeitet, hat schlichtweg nicht die Möglichkeit, täglich frisch zu kochen. Die Realität vieler Menschen sieht so aus: Schnell ein Fertiggericht in die Mikrowelle, weil es keine Alternative gibt. Kochkurse für gesunde Ernährung sind nett gemeint, aber sinnlos für diejenigen, die nach 12-Stunden-Schichten keine Energie mehr haben, sich an den Herd zu stellen.

Während sich wohlhabende Städter mit Meal-Prepping und aufwendig zubereiteten Bowls beschäftigen, sind andere Menschen froh, wenn sie am Ende des Tages eine warme Mahlzeit auf den Tisch bringen. Der viel zitierte „bewusste Konsum“ ist ein Privileg derjenigen, die nicht um ihre Existenz kämpfen müssen.


Die versteckten Kosten der billigen Ernährung

Billiges Essen ist nicht wirklich billig. Während ein Tiefkühlgericht für drei Euro kurzfristig eine Ersparnis bringt, zahlen ärmere Menschen langfristig den Preis: in Form von schlechter Gesundheit, ernährungsbedingten Krankheiten und hohen medizinischen Kosten. Adipositas, Diabetes und Bluthochdruck sind längst keine Wohlstandskrankheiten mehr – sie sind die Krankheiten derjenigen, die sich gesundes Essen nicht leisten können. Und während Politiker über die wachsenden Gesundheitskosten klagen, ignorieren sie die Tatsache, dass eine bessere Ernährung Millionen einsparen würde.


Lösungsansätze – oder warum die Politik sich nicht wirklich interessiert

Die Politik predigt gerne die Wichtigkeit gesunder Ernährung, doch echte Maßnahmen sind selten. Einige Vorschläge könnten tatsächlich helfen:

  1. Mehrwertsteuer senken oder streichen – Warum kostet ein verarbeiteter Keks nur 7 % Mehrwertsteuer, während frisches Obst mit 19 % besteuert wird? Eine Reduktion für gesunde Lebensmittel wäre ein erster Schritt.

  2. Subventionen für gesunde Lebensmittel – Statt die Agrarindustrie für Überproduktionen von Fleisch oder Zucker zu belohnen, könnten gesunde Grundnahrungsmittel staatlich gefördert werden.

  3. Kostenlose oder stark vergünstigte Schul- und Betriebskantinen – Wer tagsüber nicht vernünftig isst, greift abends auf ungesunde Alternativen zurück. Gesunde Mahlzeiten am Arbeitsplatz oder in Schulen könnten langfristig die Gesundheitskosten senken.

  4. Verpflichtende Preisregulierungen für Grundnahrungsmittel – Ähnlich wie bei Medikamenten könnte der Staat festlegen, dass bestimmte Lebensmittel nicht teurer als ein gewisser Betrag sein dürfen.

  5. Striktere Regulierung von Zucker und künstlichen Zusatzstoffen – Anstatt immer mehr Werbeverbote für Junkfood zu erlassen, könnte einfach der Anteil an künstlichen Zusatzstoffen und Zucker in Produkten per Gesetz begrenzt werden.

Doch all das wird nicht passieren. Denn es gibt eine milliardenschwere Industrie, die an der aktuellen Situation verdient. Und solange sich die Wirtschaft nicht ändern muss, bleibt gesunde Ernährung ein Privileg derjenigen, die sich leisten können, darüber nachzudenken.

Wer kontrolliert die Nahrungsmittelpreise?

Ein weiterer wichtiger Punkt wird oft ausgeklammert: Wer profitiert eigentlich davon, dass gesunde Ernährung teuer ist? Große Agrarkonzerne und Lebensmittelriesen haben ein massives Interesse daran, dass hochverarbeitete Produkte günstig und natürliche, unverarbeitete Lebensmittel teuer bleiben. Denn mit Zusatzstoffen, Konservierungsmitteln und Aromen lassen sich billige Zutaten in hochprofitable „gesunde“ Produkte verwandeln. Und während der Verbraucher glaubt, mit einem „Superfood-Riegel“ etwas Gutes zu tun, steckt dahinter oft nicht mehr als ein cleveres Marketingkonzept.

Letztendlich bleibt gesunde Ernährung ein System, das nicht auf Gesundheit, sondern auf maximalen Gewinn optimiert ist. Und solange sich daran nichts ändert, wird der Tag der gesunden Ernährung weiterhin eine Farce bleiben.