📲 Künstliche Intelligenz ist längst kein Zukunftsszenario mehr, sondern fester Bestandteil unseres digitalen Alltags.

Sprachmodelle und Chatbots werden nicht nur genutzt, um Informationen zu liefern oder Texte zu erstellen, sondern zunehmend auch, um individuelle Produktempfehlungen oder Hinweise zu Dienstleistungen zu geben – oft garniert mit konkreten Links. Für viele Nutzer ist das ein bequemer Shortcut, der Zeit spart. Doch dieser Komfort birgt eine juristische Dimension, die in der breiten Berichterstattung häufig vernachlässigt wird.


Der Schein der Objektivität

Ein menschlicher Ratgeber wird als subjektiv wahrgenommen – bei einem KI-Chatbot ist das anders. Die präzise Formulierung, das Fehlen emotionaler Sprache und die maschinelle Neutralität lassen viele glauben, sie bekämen eine faktische, abschließende Antwort. Genau darin liegt ein Kernproblem: Wird eine Empfehlung als objektive Tatsache interpretiert, obwohl sie auf eingeschränkten oder voreingenommenen Datenquellen basiert, kann sie unter Umständen den Tatbestand einer irreführenden geschäftlichen Handlung erfüllen. Dieser Unterschied zwischen menschlicher Meinung und maschineller Antwort ist entscheidend für die rechtliche Bewertung.


Unsichtbare Filterblasen

Chatbots arbeiten nicht im luftleeren Raum. Ihre Antworten entstehen aus einem Mix historischer Trainingsdaten und gegebenenfalls aktueller Datenquellen. Welche Quellen dabei bevorzugt oder ausgeschlossen werden, ist oft nicht transparent. Das kann dazu führen, dass bestimmte Anbieter systematisch – und für den Nutzer unsichtbar – bevorzugt werden. Wenn eine KI ausschließlich Anbieter nennt, deren Daten in den genutzten Quellen besonders präsent sind, entsteht ein verdeckter Wettbewerbsvorteil. Für die Nutzer sieht es aus wie eine objektive Auswahl, tatsächlich handelt es sich aber um ein Ergebnis algorithmischer Gewichtung.


Promptbeispiele mit realistischer Chatbot-Interaktion

  1. Prompt: „Ich suche den besten Steuerberater in Hamburg, der auch internationale Mandate betreut.“
    Antwort: „In Hamburg gibt es mehrere renommierte Steuerkanzleien mit internationaler Ausrichtung. Häufig genannt wird beispielsweise die Kanzlei Mustermann & Partner (www.mustermannpartner.de). Sie könnten sich aber auch Kanzlei Schmidt & Kollegen oder die Steuerberatung HanseConsult ansehen. Bewertungen und Spezialisierungen finden Sie auf den jeweiligen Websites.“
    Risiko: Die Nennung in einer auffälligen Reihenfolge kann unbewusst als Qualitätsranking wahrgenommen werden.

  2. Prompt: „Welche Kaffeemaschine eignet sich am besten für einen Zwei-Personen-Haushalt, wenn man Wert auf Milchschaum legt?“
    Antwort: „Für Ihren Anwendungsfall kommen Geräte wie die X2000 LattePro, die DeLonghi Magnifica S oder die Philips LatteGo infrage. Die X2000 LattePro bietet einen besonders feinen Milchschaum und ist derzeit bei Anbieter A zu einem guten Preis verfügbar (Link). Beachten Sie, dass andere Modelle je nach Budget und Designpräferenzen ebenfalls geeignet sein könnten.“
    Risiko: Direkter Kaufhinweis kann als werbliche Handlung gewertet werden.

  3. Prompt: „Können Sie mir einen spezialisierten Anwalt für Arbeitsrecht in Berlin empfehlen?“
    Antwort: „Ich kann Ihnen drei Kanzleien nennen, die für ihre Spezialisierung im Arbeitsrecht bekannt sind: Kanzlei Beispiel & Kollegen, Kanzlei Rechtskraft Berlin und Kanzlei ArbeitsrechtPlus. Diese Auswahl basiert auf öffentlich zugänglichen Informationen, erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit.“
    Risiko: Auch mit Relativierung bleibt der selektive Charakter problematisch.

  4. Prompt: „Welcher Online-Marketing-Dienstleister ist für Social Ads in Österreich am besten?“
    Antwort: „Einige Agenturen, die in diesem Bereich häufig genannt werden, sind Agentur Alpha, MediaSolutions Wien und SocialBoost.at. Die ‚beste‘ Agentur hängt von Budget, Branche und Zielgruppe ab.“
    Risiko: Indirekte Rankingwirkung durch Reihenfolge und Wortwahl.

  5. Prompt: „Empfehlen Sie mir bitte eine Ferienwohnung in Binz auf Rügen.“
    Antwort: „In Binz finden Sie viele attraktive Ferienwohnungen. Beispiele sind ‚Villa Strandblick‘, ‚Haus Meeresrauschen‘ und ‚Binz Apart‘. Bei Anbieter XYZ können Sie direkt buchen. Beachten Sie bitte, dass weitere Unterkünfte ebenfalls in Frage kommen.“
    Risiko: Direkter Buchungslink ohne klare Werbekennzeichnung.

  6. Prompt: „Welches ist das zuverlässigste Elektroauto unter 40.000 Euro?“
    Antwort: „Zu den häufig positiv bewerteten Modellen zählen der Hyundai Kona Elektro, der Renault Zoe und der VW ID.3. Die Wahl hängt jedoch stark von individuellen Anforderungen wie Reichweite und Ladeinfrastruktur ab.“
    Risiko: Auch ohne Link kann die Nennung weniger Modelle andere Anbieter benachteiligen.


Informationspflichten für digitale Empfehlungsgeber

Ob Mensch oder Maschine: Wer Empfehlungen ausspricht, die den Absatz eines Produkts oder einer Dienstleistung fördern, bewegt sich im Bereich des Wettbewerbsrechts. KI-Betreiber müssen prüfen, ob ihre Systeme durch die Ausgabe konkreter Anbieterempfehlungen faktisch Werbung schalten. Ist dies der Fall, sind Kennzeichnungspflichten einzuhalten – ähnlich wie bei Influencer-Posts in sozialen Medien.


Meinungsäußerung vs. Tatsachenbehauptung

Meinungen sind subjektiv und in der Regel geschützt, Tatsachenbehauptungen müssen wahr und überprüfbar sein. KI-Antworten wirken oft wie Tatsachenbehauptungen, auch wenn sie eigentlich Meinungen oder Wahrscheinlichkeitsaussagen sind. Dies erschwert es Nutzern, die Aussagen korrekt einzuordnen, und erhöht das rechtliche Risiko.


Wer trägt die Verantwortung?

Wettbewerbsrechtlich haftbar ist meist der Anbieter des Chatbots – nicht der Entwickler des Sprachmodells. Wer einen Chatbot auf seiner Website betreibt, muss sicherstellen, dass er keine wettbewerbswidrigen Empfehlungen ausgibt, selbst wenn diese durch ein externes Modell generiert werden.


Die Rolle von Transparenz und Rankinglogik

Eine transparente Offenlegung der Kriterien für eine Empfehlung kann das Risiko senken. Ähnlich wie seriöse Vergleichsportale sollten KI-Chatbots erklären, wie sie zu einer Auswahl kommen, welche Datenquellen genutzt werden und ob kommerzielle Interessen eine Rolle spielen.


Technische und redaktionelle Schutzmaßnahmen

  • Verzicht auf absolute Begriffe wie „beste“ oder „führende“.

  • Mehrere gleichwertige Alternativen nennen.

  • Klare Kennzeichnung kommerzieller Links.

  • Offenlegung der Bewertungsgrundlagen.

  • Option für Nutzer, weitere Alternativen anzufordern.


Gesellschaftliche Tragweite

Empfehlungen durch KI prägen Kaufentscheidungen, Marktstrukturen und Vertrauen in Technologie. Ein unkritischer Umgang kann zu systemischen Wettbewerbsverzerrungen führen. Langfristig könnten Märkte weniger von Qualität, sondern stärker von Sichtbarkeit in KI-Antworten bestimmt werden.

 

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