⚠️ Der große Klage-Schwindel: Wie dubiose Anbieter mit Sammelklagen gegen den ORF Geld machen – und das Vertrauen der Bürger missbrauchen
Wenn Empörung zur Einnahmequelle wird
In den sozialen Medien mehren sich in letzter Zeit auffällige Werbeanzeigen: Mit reißerischen Formulierungen wie „Jetzt ORF verklagen!“, „ORF-Gebühren zurückholen!“ oder „Sammelklage gegen GIS starten!“ wird gezielt Empörung geschürt. Die Anzeigen erscheinen professionell gestaltet, oft mit vermeintlich echten Personen, Testimonials oder Influencer-Videos – so genannten UGC-Videos (User Generated Content), bei denen bezahlte Sprecher mit gespielter Überzeugung die Teilnahme bewerben.
Was auf den ersten Blick nach einer juristischen Initiative für Konsumentenrechte aussieht, entpuppt sich bei näherer Betrachtung häufig als etwas völlig anderes: eine perfide Geschäftspraxis, die mit der Wut der Bürger spielt, falsche Hoffnungen macht – und dabei den guten Namen des ORF missbraucht.
Keine Kanzlei, kein Urteil – aber sehr wohl eine Rechnung
Die Anbieter solcher Kampagnen sind in vielen Fällen keine Rechtsanwälte, keine offiziellen Interessenvertretungen und auch keine anerkannten Konsumentenschutzorganisationen. Vielmehr handelt es sich oft um Marketingfirmen, Finanzdienstleister oder undurchsichtige Einpersonenunternehmen, die mit juristisch klingenden Begriffen arbeiten, ohne dazu befugt zu sein.
Die Funktionsweise folgt stets dem gleichen Prinzip:
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Menschen werden über emotional aufgeladene Werbebotschaften auf eine Website gelockt.
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Dort geben sie freiwillig ihre persönlichen Daten ein – oft inklusive Angaben zu Wohnsitz, Gebührensituation und Einkommen.
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In vielen Fällen folgt ein kostenpflichtiges Angebot: ein sogenanntes „Teilnahmepaket“, eine „Klagevorbereitung“, oder gar eine „verpflichtende Beratung“ zum Preis von 50 bis 200 Euro.
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Eine tatsächliche juristische Vertretung findet jedoch selten statt – oder nur pro forma über unklare „Partnerkanzleien“, die nie namentlich genannt werden.
Für Konsumentinnen und Konsumenten bedeutet das in der Praxis: Sie zahlen Geld für eine vermeintliche Klage, die es gar nicht gibt.
Der Missbrauch des ORF als Vertrauensanker
Der Österreichische Rundfunk (ORF) ist als öffentlich-rechtlicher Sender mit einem klar definierten gesetzlichen Auftrag tätig. Dazu gehört nicht nur Information, Bildung und Kultur, sondern auch der Schutz journalistischer Unabhängigkeit und die Sicherstellung vielfältiger Meinungen.
Gerade diese Rolle macht ihn jedoch zunehmend zum Ziel fragwürdiger Kampagnen: Der Name „ORF“ wird in derartigen Sammelklage-Initiativen bewusst verwendet, um Glaubwürdigkeit vorzutäuschen und eine emotionale Reaktion hervorzurufen.
Die Anbieter spekulieren darauf, dass Bürgerinnen und Bürger – oft aus Unmut über GIS-Gebühren – weniger genau prüfen, mit wem sie es zu tun haben. Damit wird das Vertrauen in den ORF nicht nur ausgenutzt, sondern gezielt beschädigt. Eine Vorgehensweise, die weit über zulässige Kritik hinausgeht und den Boden des seriösen Wettbewerbs verlässt.
So funktioniert das Geschäftsmodell hinter der Empörung
Doch wie genau verdienen die Betreiber solcher „Klageportale“ ihr Geld – wenn sie gar keine echten Klagen führen? Die Antwort ist simpel und beunruhigend zugleich:
1. Leadverkauf
Die gesammelten Daten (Name, E-Mail, Telefonnummer, oft auch Einkommen und Haushaltsdaten) sind bares Geld wert. Sie werden an andere Dienstleister – z. B. Versicherungen, Anwälte, Finanzvermittler – weiterverkauft. Je nach Umfang der Daten kann ein Datensatz am Markt zwischen 10 und 80 Euro bringen.
2. Verkauf nutzloser Zusatzprodukte
Viele Portale bieten „Klagepakete“ an – gegen Bezahlung. Diese bestehen oft nur aus Standarddokumenten oder juristisch bedeutungslosen Schreiben. Der Nutzen für den Konsumenten ist gleich null – der Umsatz für die Betreiber hingegen hoch.
3. Folgegeschäft mit Beratungen
Einmal in der Datenbank, erhalten Teilnehmer häufig Anrufe mit dem Hinweis, sie müssten noch eine persönliche Beratung absolvieren oder bestimmte Dokumente kaufen, um an der Klage teilnehmen zu können. Oft handelt es sich dabei um überteuerte Dienstleistungen oder undurchsichtige Abonnements.
4. Affiliate-Modelle
Manche Betreiber agieren als Vermittler: Sie kassieren pro Klick, pro Datenübermittlung oder pro Vertragsabschluss eine Provision von einem Drittanbieter – etwa einem tatsächlichen Prozesskostenfinanzierer oder einem Callcenter.
Weder rechtlich abgesichert noch gewerblich zulässig
Ein weiteres Problem: Die Tätigkeit solcher Anbieter ist in vielen Fällen nicht von einer aufrechten Gewerbeberechtigung gedeckt. In Österreich ist die gewerbsmäßige Ausübung juristischer Dienstleistungen nur Personen mit entsprechender Befugnis – wie Rechtsanwälten oder Notaren – erlaubt. Wer ohne diese Befugnis zu einer Klage aufruft, sich als juristische Anlaufstelle ausgibt oder Gebühren verlangt, verstößt gegen die Gewerbeordnung – und möglicherweise gegen das Strafrecht (z. B. wegen Betrugs oder unlauteren Wettbewerbs).
Auch der bloße Hinweis auf eine „Kooperation mit einem Prozesskostenfinanzierer“ schützt nicht vor rechtlicher Verantwortung: Sobald der Eindruck entsteht, dass ein Unternehmen selbst rechtlich tätig wird oder rechtliche Ergebnisse verspricht, kann dies als illegale Rechtsdienstleistung gewertet werden.
So erkennen Sie eine unseriöse Sammelklage-Kampagne:
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Keine namentlich genannte Rechtsanwaltskanzlei
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Keine klaren AGB oder Impressumsangaben
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Emotionalisierende Sprache („Jetzt ORF stoppen!“, „Klagewelle!“)
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Kostenpflichtige Teilnahme- oder Beratungspakete
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Keine Möglichkeit, den juristischen Stand der Klage nachzuvollziehen
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Verwendung von Fake-Bewertungen oder KI-generierten Profilfotos
Was der ORF dazu sagt
Der ORF selbst distanziert sich klar von derartigen Aktivitäten. In einer offiziellen Stellungnahme betont der Sender, dass er in keinerlei Zusammenhang mit Sammelklagen steht, diese weder beauftragt noch befürwortet, und den Missbrauch seines Namens rechtlich prüfen lässt, sobald Hinweise auf Täuschung oder kommerzielle Absicht vorliegen.
Auch aus Sicht der Rundfunkfreiheit sind solche Kampagnen problematisch: Sie untergraben das Vertrauen in unabhängige Medien und spielen bewusst mit dem gesellschaftlichen Frust, um wirtschaftliche Ziele zu verfolgen.
Was können Betroffene tun?
Wenn Sie selbst auf eine derartige Werbung hereingefallen sind oder sich unsicher sind, raten Konsumentenschützer:
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Niemals sensible Daten bei unbekannten Klageportalen eingeben
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Keinesfalls Geld überweisen, wenn keine echte Kanzlei beteiligt ist
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Screenshots und Dokumente sichern
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Anzeige bei der Polizei oder der Bezirksverwaltungsbehörde erstatten
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Den Verein für Konsumenteninformation (VKI) informieren
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Verdächtige Werbung direkt bei Meta/Facebook melden
Fazit: Vorsicht statt Vorverurteilung
Verbraucherschutz ist ein hohes Gut – aber er darf nicht zur Bühne für undurchsichtige Geschäftemacher werden. Was unter dem Banner „Sammelklage gegen den ORF“ derzeit auf Social Media geschieht, ist kein Beitrag zur Rechtssicherheit, sondern ein gefährliches Spiel mit Vertrauen, Daten und öffentlicher Meinung.
Der ORF als Symbol für unabhängige Berichterstattung wird dabei instrumentalisiert, nicht angeklagt. Und wer sich eine gerechtere Medienlandschaft wünscht, sollte nicht auf dubiose Versprechen hereinfallen – sondern auf Aufklärung und Transparenz setzen.
Dieser Artikel wurde im Rahmen der Konsumenten-Berichterstattung einer unabhängigen Presseagentur erstellt. Hinweise auf konkrete Fälle oder Plattformen können an die Redaktion übermittelt werden.