Ein Gesundheitssystem unter Druck

Deutschland und Österreich verfügen über hochentwickelte Gesundheitssysteme mit moderner medizinischer Ausstattung, einer hohen Arztdichte und einer umfassenden Krankenversicherungspflicht. Dennoch stehen beide Länder vor zunehmenden Herausforderungen. Die alternde Bevölkerung, steigende Krankheitslasten, Fachkräftemangel und eine explosionsartige Kostenentwicklung setzen die medizinische Versorgung unter Druck.

Ein weiteres Problem sind soziale und regionale Ungleichheiten in der Gesundheitsversorgung. Während in urbanen Zentren oft eine hohe Dichte an Fachärzten und medizinischen Einrichtungen herrscht, kämpfen ländliche Regionen mit Versorgungsengpässen. Zudem verschärfen lange Wartezeiten, der Mangel an Pflegekräften und die wachsende Belastung für medizinisches Personal die Situation.

Der Welttag der Kranken am 11. Februar bietet Anlass, eine Bestandsaufnahme der aktuellen Lage vorzunehmen. Welche Krankheiten stellen die größten Herausforderungen dar? Wie unterscheiden sich die Systeme beider Länder? Und welche Reformmaßnahmen könnten helfen, die Gesundheitsversorgung langfristig sicherzustellen?


1. Die steigende Krankheitslast: Welche Gesundheitsprobleme dominieren?

Die Krankheitslast in Deutschland und Österreich wird maßgeblich durch Lebensstilfaktoren, Umweltbedingungen und den demografischen Wandel geprägt. Besonders besorgniserregend ist der Anstieg chronischer Erkrankungen.

1.1 Zivilisationskrankheiten als Hauptbelastung

Herz-Kreislauf-Erkrankungen bleiben die häufigste Todesursache in beiden Ländern. In Deutschland sind sie für etwa 34 Prozent aller Todesfälle verantwortlich, in Österreich liegt die Rate sogar bei rund 40 Prozent. Risikofaktoren wie ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel, Rauchen und Stress tragen maßgeblich dazu bei. Obwohl es Fortschritte in der Behandlung gibt, werden die Kosten für die Versorgung dieser Patienten weiter steigen.

Diabetes mellitus Typ 2 ist ebenfalls stark auf dem Vormarsch. Während in Deutschland bereits über acht Millionen Menschen betroffen sind, liegt die Zahl in Österreich bei etwa 800.000. Besonders alarmierend ist die Zunahme dieser Erkrankung bei jungen Erwachsenen – ein klarer Hinweis auf falsche Ernährung und mangelnde Bewegung.

Ein weiteres großes Problem stellt Adipositas dar. Fast ein Viertel der Erwachsenen in Deutschland gilt als fettleibig, in Österreich liegt der Anteil bei rund 17 Prozent. Starkes Übergewicht erhöht das Risiko für zahlreiche Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck, Gelenkverschleiß und Fettstoffwechselstörungen. Die gesundheitlichen Folgen belasten nicht nur das Leben der Betroffenen, sondern auch die öffentlichen Gesundheitssysteme.

1.2 Psychische Erkrankungen auf dem Vormarsch

Psychische Erkrankungen, insbesondere Depressionen, Angststörungen und Burnout, nehmen rasant zu. In Deutschland haben sich Krankschreibungen aufgrund psychischer Erkrankungen in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt. Auch in Österreich ist die Situation alarmierend: Immer mehr Menschen sind aufgrund psychischer Belastungen nicht mehr arbeitsfähig.

Besonders betroffen sind Berufsgruppen mit hoher Arbeitsbelastung, darunter Pflegekräfte, Lehrer und Führungskräfte. Die Corona-Pandemie hat diesen Trend noch verstärkt: Einsamkeit, Existenzängste und soziale Unsicherheit haben bei vielen Menschen Spuren hinterlassen.

Ein weiteres Problem ist die Versorgung von psychisch kranken Patienten. Während die Zahl der Diagnosen steigt, gibt es zu wenige Therapeuten und stationäre Einrichtungen, um eine angemessene Betreuung sicherzustellen. Wartezeiten von mehreren Monaten auf einen Therapieplatz sind in beiden Ländern keine Seltenheit.

1.3 Krebserkrankungen als zweithäufigste Todesursache

Krebserkrankungen sind nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen die zweithäufigste Todesursache. Während Fortschritte in der Früherkennung und Behandlung die Überlebensraten bei bestimmten Krebsarten verbessern konnten, nehmen andere Krebsformen aufgrund von Umwelt- und Lebensstilfaktoren weiter zu. Besonders Lungen-, Darm- und Hautkrebs sind auf dem Vormarsch.

In Österreich sterben jährlich etwa 20.000 Menschen an Krebs, in Deutschland sind es über 230.000. Obwohl Screening-Programme in beiden Ländern etabliert wurden, nehmen viele Menschen diese nicht regelmäßig in Anspruch, was die Heilungschancen verringert.

1.4 Infektionskrankheiten und Antibiotika-Resistenzen als wachsende Bedrohung

Die COVID-19-Pandemie hat die Verwundbarkeit der Gesundheitssysteme für Infektionskrankheiten verdeutlicht. Doch auch andere Infektionen stellen eine Gefahr dar. In Deutschland sterben jährlich bis zu 15.000 Menschen an Krankenhausinfektionen, in Österreich sind es etwa 3.000. Besonders problematisch sind multiresistente Keime, die durch den jahrzehntelangen hohen Antibiotikaeinsatz begünstigt wurden.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt, dass Antibiotika-Resistenzen in den kommenden Jahrzehnten eine der größten Bedrohungen für die globale Gesundheit darstellen könnten. In beiden Ländern müssen daher Maßnahmen getroffen werden, um den unnötigen Einsatz von Antibiotika in der Human- und Veterinärmedizin zu reduzieren.


2. Herausforderungen des Gesundheitssystems in beiden Ländern

2.1 Fachkräftemangel und Überlastung des Personals

Eines der größten Probleme im Gesundheitswesen ist der akute Fachkräftemangel. In Deutschland fehlen derzeit rund 100.000 Pflegekräfte, in Österreich sind es etwa 35.000. Auch im ärztlichen Bereich gibt es Engpässe, insbesondere in ländlichen Regionen.

Viele Ärzte wandern ins Ausland ab oder wechseln in die Privatmedizin, wo bessere Arbeitsbedingungen und höhere Gehälter winken. Dies führt dazu, dass immer mehr Patienten auf eine ausreichende medizinische Versorgung warten müssen. Der verbleibende Personalstamm ist überlastet, was sich wiederum negativ auf die Behandlungsqualität auswirkt.

2.2 Überlastung der Krankenhäuser und lange Wartezeiten

Deutschland verfügt über eine hohe Krankenhausdichte, doch viele Kliniken kämpfen mit finanziellen Schwierigkeiten. In Österreich ist die Anzahl der Krankenhausbetten pro Einwohner ebenfalls hoch, doch der Personalmangel führt auch hier zu langen Wartezeiten und einer zunehmenden Belastung der Notaufnahmen.

Ein weiteres Problem ist die unnötige Inanspruchnahme von Notaufnahmen. Viele Menschen nutzen die Notaufnahme als Ersatz für den Hausarzt, was zu langen Wartezeiten und einer ineffizienten Nutzung der Kapazitäten führt.

2.3 Kostenexplosion im Gesundheitswesen

Die Gesundheitsausgaben steigen kontinuierlich. In Deutschland betragen sie mittlerweile über 450 Milliarden Euro pro Jahr, in Österreich rund 50 Milliarden. Hauptgründe sind teure Medizintechnik, steigende Arzneimittelkosten und der demografische Wandel.

Hohe private Zuzahlungen verschärfen zudem die soziale Ungleichheit in der Gesundheitsversorgung. Während wohlhabendere Patienten sich private Zusatzversicherungen leisten können, geraten Menschen mit geringem Einkommen zunehmend in Schwierigkeiten, notwendige Behandlungen zu finanzieren.


3. Gesundheitsversorgung muss dringend reformiert werden

Deutschland und Österreich verfügen über leistungsfähige Gesundheitssysteme, doch ohne tiefgreifende Reformen droht eine Überlastung. Der steigende Krankenstand, der Fachkräftemangel und die wachsenden Kosten gefährden die langfristige Stabilität der medizinischen Versorgung.

Es müssen Anreize geschaffen werden, um den Pflegeberuf attraktiver zu machen, Wartezeiten zu verkürzen und Präventionsmaßnahmen zu stärken. Der Welttag der Kranken sollte nicht nur ein Moment des Mitgefühls sein, sondern auch als Weckruf für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft verstanden werden.

Nur durch strukturelle Reformen können beide Länder sicherstellen, dass ihre Gesundheitssysteme auch in Zukunft für alle Menschen zugänglich und leistungsfähig bleiben.