💳 Digitale Erbschaften – Wenn Tote plötzlich Verträge abschließen

Es klingt wie aus einem schlechten Film, doch es passiert gerade wirklich – und zwar mitten in Graz, Linz, Berlin und München: Verstorbene schließen plötzlich Verträge ab. Die Identitäten längst beerdigter Menschen tauchen plötzlich in Kreditverträgen, Online-Abos und sogar bei Mobilfunkanbietern auf. Angehörige sind entsetzt – und machtlos.

Kerstin G., 43, aus Wien berichtet unserer Redaktion unter Tränen: „Mein Vater ist seit einem Jahr tot. Und plötzlich bekomme ich Post vom Inkassobüro – er soll einen Leasingvertrag für ein Smartphone unterschrieben haben. Mit aktuellem Lichtbild.“ Der Absender? Ein Mobilfunkanbieter, der sich auf das vorgelegte Foto samt Ausweiskopie verlässt. Doch dieses Bild wurde manipuliert – es stammt aus einem alten Familienurlaub, nachträglich mit einem aktuellen Datum versehen.

Fälle wie dieser häufen sich dramatisch. Täter durchsuchen Todesanzeigen, hacken Friedhofsverwaltungen oder kaufen „Tote Profile“ im Darknet. Es gibt inzwischen Telegram-Kanäle, in denen man „digitale Erbenidentitäten“ für 50 bis 150 Euro kaufen kann – samt Fake-Signatur, E-Mail und Kredit-Simulation.

Banken und Dienstleister haben oft keinerlei Mechanismus, um echte von gefälschten Einreichungen zu unterscheiden. Angehörige erfahren vom Identitätsdiebstahl erst, wenn Mahnbescheide oder Gerichtspost eintrifft.


🧠 Identitätsdiebstahl bei psychisch Erkrankten – Eine stille Sicherheitslücke

Der Fall des 61-jährigen Manfred L. aus Salzburg ist bezeichnend: Seit Jahren unter gesetzlicher Betreuung, tauchten plötzlich fünf verschiedene Online-Banking-Zugänge auf seinem Namen auf. Über 12.000 Euro verschwanden. Niemand wusste, wie das passieren konnte.

Ein Sozialdienstmitarbeiter meldete sich anonym bei unserer Redaktion. „Manfred weiß nicht mal, was ein Passwort ist. Und trotzdem sind Verträge abgeschlossen worden – in seinem Namen.“

Kriminelle fälschen Betreuungsdokumente oder verwenden öffentlich verfügbare Angaben aus Sozialplattformen. Weil viele Systeme digital nicht auf Einschränkungen der Geschäftsfähigkeit reagieren, haben Täter leichtes Spiel.

Erst wenn Schäden entstehen, wird das Ausmaß sichtbar – und selbst dann bleibt oft unklar, wer haftet. Es fehlt eine rechtliche Absicherung für betreute Personen im digitalen Raum.


💼 Berufs-Identitätsklau – Wie Fake-Profile ganze Karrieren ruinieren

Julia T., Webdesignerin aus Linz, wurde zur unfreiwilligen Betrügerin. Zumindest glaubten das mehrere geprellte Kunden, die glaubten, mit ihr einen Auftrag abgeschlossen zu haben. Ihr Name, ihre Projekte, ihr Profilbild: alles übernommen – auf einer Plattform, auf der sie selbst nie aktiv war.

Berufsidentitätsklau trifft besonders Selbstständige und Freelancer:innen. Auf Plattformen wie Upwork oder Fiverr werden vollständige Fake-Profile aufgebaut – mit echten Daten, gestohlenem Portfolio und sogar KI-generierten Video-Testimonials.

Die Plattformen reagieren oft spät. Betroffene sind monatelang mit Rufschädigung, Kundenverlust und rechtlichen Schwierigkeiten konfrontiert.


👶 Kinder als Zielscheibe – Identitätsklau bei Minderjährigen boomt

Die elfjährige Amelie S. aus Bregenz hatte bereits ein Instagram-Profil, ein Amazon-Konto und war auf einer Spieleplattform registriert – alles ohne ihr Wissen. Die Daten stammten aus dem Familienblog ihrer Eltern.

Kinder gelten zunehmend als lukrative Ziele: frische Identitäten, unbelastete Daten, keine Einträge. In Telegram-Gruppen werden solche Profile unter dem Begriff „Fresh IDs“ gehandelt. Eltern merken oft nichts – bis eine Anzeige ins Haus flattert oder ein Gerichtsschreiben an das Kind adressiert ist.

Es existiert keine zentrale Schutzinstanz für digitale Kinderdaten. Das Risiko wächst mit jedem geteilten Bild.


📉 Die Schattenwirtschaft der Fake-Konten – Wie Marktplatz-Identitäten verkauft werden

Telegram-Kanäle bieten inzwischen „vollständige Willhaben-Accounts mit Bewertungshistorie“ an. Die Accounts sind mit echten Namen, Mailadressen und teilweise sogar echten Bildern hinterlegt. Opfer wie Daniel M. aus Leoben merken erst etwas, wenn Käufer:innen beginnen, sie zu beschimpfen – weil Ware nie geliefert wurde.

Die Betrüger arbeiten hochprofessionell: Fake-Impressum, gestohlene Handynummern, echte E-Mails – aber immer unter falscher Kontrolle. Der Imageschaden ist enorm, und der Aufwand zur Wiederherstellung der eigenen Glaubwürdigkeit groß.

Plattformen sind oft überlastet oder reagieren erst, wenn der Druck öffentlich wird.


🛡️ Was tun – präventiv und im Ernstfall

Vorbeugen:

  • Sensible Dokumente (z. B. Ausweiskopien) nie unverschlüsselt per Mail versenden

  • Weniger persönliche Daten in Social Media posten – besonders über Kinder oder Verstorbene

  • Kredit-Selbstauskünfte regelmäßig kontrollieren (z. B. über KSV1870 oder Schufa)

  • Bei Plattformen wie Willhaben, eBay, Amazon regelmäßig die eigene Mailadresse testen (z. B. mit Passwort-Checkern oder E-Mail-Warnsystemen)

Wenn’s passiert ist:

  • Sofort Anzeige bei der Polizei erstatten

  • Kontaktaufnahme mit den betroffenen Unternehmen zur Sperrung der missbrauchten Identität

  • Beratungsstellen wie „Internet Ombudsstelle“ (Österreich) oder „Verbraucherzentrale“ (Deutschland) einschalten

  • Rechtlichen Beistand suchen – insbesondere bei Mahnklagen oder Schufa-Einträgen

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